18. Februar 2012 Rheinpfalz

Fahnenschwenken geht auch im Rollstuhl

BANN: Der „Werkvolk“-Fanfarenzug nimmt erstmals behinderte Mitglieder auf

VON MONIKA KLEIN

Musik verbindet die Menschen und lässt Barrieren verschwinden. Der „Werkvolk“-Fanfarenzug aus Bann beweist dies, indem er auf die Anfrage zweier Menschen mit Beeinträchtigungen nach einer Mitgliedschaft aufgeschlossen reagiert. Die Vorstandschaft setzte einige Hebel in Bewegung, um den Rollstuhlfahrern eine aktive Teilnahme zu ermöglichen.
   Schon lange sind die beiden Rollstuhlfahrer Jessica Fras und Jürgen Becker aus Ramstein mit Rosemarie Seibert und Anne Klusen befreundet. Bei der 50-Jahr-Feier des Bännjer Vereins im vergangenen Sommer ließen sie es sich nicht nehmen, drei Tage lang im Festzelt mitzufeiern. Schon 2008 hatten sie die 60 Mann starke Truppe bei einem Ständchen erlebt und waren begeistert. Kein Wunder also, dass das Duo nach dem Festumzug beschloss, sich der Mannschaft in historischen Trachten anzuschließen.
   Noch im Festzelt wurde dem Vorsitzenden Richard Roschel ein Zettel mit den Namen und dem Anliegen in die Hand gedrückt. „Ich habe auf der Bühne gesagt: ,Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg‘“, erinnert er sich. Schließlich sei die Aufnahme von Rollstuhlfahrern in den Verein „eine Herzenssache und eine Entscheidung, die man gerne trifft“. Diese Reaktion war für Fras und Becker nicht selbstverständlich. „Wir haben schon öfter bei Vereinen wegen einer Mitgliedschaft angefragt, aber immer nur Absagen erhalten“, berichten die beiden. „Für uns war es nie die Frage ob, sondern wie wir das Anliegen realisieren können“, hebt Vorstandsmitglied Hans-Günther Frey hervor. „Das war absolutes Neuland für uns“, sagt Roschel. Zum Jahreswechsel setzten sich die Beteiligten an einen Tisch, um konkrete Vorstellungen zu besprechen. Fras und Becker haben sich der Fahnenschwenkerei verschrieben, wobei sie von Klusen und Seibert als Marketenderinnen unterstützt werden.

„Wo ein Wille ist,
ist auch ein Weg“, sagt
Vorsitzender Roschel.

Von nun an wurde angepackt. Schon beim Transport zu Auswärtsauftritten sind Herausforderungen
zu meisten. „Wir können keinen Rollstuhlfahrer in einen normalen Bus setzen“, stellt Roschel heraus. Also fragte sein Stellvertreter Jürgen Simonis beim Fahrdienst der Westpfalz-Werkstätten an, ob ihnen ein
geeignetes Fahrzeug zur Verfügung gestellt werden könne. „Die Begeisterung über unser Vorhaben war zu erkennen“, berichtet er. „Wir haben eine Zusage erhalten, Details müssen noch geklärt werden.“
   Eine weitere Hürde war die Einkleidung der Neumitglieder, denn die Original-Landsknechtsuniform
ist nicht auf Rollstuhlfahrer ausgelegt. „Die Fachfirma ist mit der Maßanfertigung eines behindertengerechten Oberteils beauftragt“, sagt Frey. Ein Vertreter habe geäußert, dass es dazu bislang im gesamten südwestdeutschen Raum keine Anfrage gegeben habe.
   Als Problem stellt sich auch das hohe Gewicht der gängigen Fahnen dar. So wandte sich Frey an die Herstellerfirma mit der Bitte, eine Fahne in Leichtbauweise zu konstruieren. Das bereits georderte Fliegengewicht bringt statt mehreren Kilos nur zwischen 500 und 700 Gramm auf die Waage – und ist natürlich ebenfalls mit dem Wappen des „Werkvolks“ geschmückt. Gleichzeitig montiert ein Vereinsmitglied eine Halterung an den Rollstuhl, in der die Fahne abgestellt werden kann.
   Was der Verein insgesamt investieren wird, ist nicht bekannt. „So eine gute Sache kann und darf nicht mit dem Geld scheitern“, war sich der Vorstand einig. Außerdem liegt inzwischen ein Zuschussantrag beim Sozialministerium und dem Landesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen.
   Geplant ist eine festliche Einführung, sobald Uniform und Fahnen fertiggestellt sind. Dann werden auch
Fras und Becker an dem Zug als Fahnenschwenker teilnehmen.
   „Damit geht ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung“, freut sich Fras auf ihren ersten Einsatz. „Ich bin heute schon aufgeregt, wenn ich mir das nur vorstelle“, fügt Becker an. Auf ihn wartet noch eine weitere Aufgabe. „Nachdem er sich angeboten hat, wird er die Mitgliederverwaltung am PC übernehmen“, kündigt Roschel an.

Neuzugang im „Werkvolk“-Fanfarenzug Bann: erste Reihe von links Hans-Günther Frey, Jürgen Becker, Anne Klusen und Jessica Fras, dahinter Jürgen Simonis, Richard Roschel und Rosemarie Seibert.
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